Ich habe gelernt, dass es einen Unterschied macht, ob man vor etwas wegläuft oder auf
etwas zugeht. Der Weg mag derselbe sein, aber wir werden ihn ganz anders betrachten. Im Allgemeinen ist es schwer, vor Dingen wegzulaufen. Das meiste, was auf der Welt existiert, ist viel schneller als wir Menschen: Tiere, Wind, Gedanken. Früher oder später werden wir davon eingeholt. Unsere einzige Chance ist es, nicht wegzulaufen. Grundsätzlich müssen wir dafür nicht mehr tun, als die Arme auszubreiten, im übertragenden und ganz im wörtlichen Sinne (stell dich mal auf einen sehr windigen Gipfel und breite die Arme aus, dann weißt du, was ich mit dem wörtlichen Sinne meine). Manchmal lernen wir dann fliegen (auch für diese Erfahrung gilt die Empfehlung mit dem Gipfel).
Ich habe auch gelernt, dass es deutlich einfacher ist, auf etwas zuzugehen, wenn es wenige Gründe gibt, vor etwas wegzulaufen. Tatsächlich habe ich wenige Gründe wegzulaufen, aber viele hierzubleiben: neine Familie, die mir Neugierde als Lebenseinstellung geschenkt hat (selber schuld!); meine Freund*innen, die mein Leben in jeder Hinsicht bereichern, mit Fragen, Erzählungen, Lachen, offenen Ohren und einem offenen Herzen, und ihrem Einfach-nur-da-sein (ihr seid die Größten!); meine (analogen) sozialen Netzwerke, mit denen ich wahlweise auf zwei Rädern durch die Stadt rolle, die Jugendpolitik auf den Kopf stelle, Gipfel erklimme oder in einem gemütlichen Münchner Holzhaus abhänge.
Und immer, wenn es gute Gründe gibt, an einem Ort zu bleiben, ist es umso wichtiger, sich für eine Zeit zu verabschieden, um die Gründe aus der Ferne zu betrachten. Meistens verstehe ich sie von dort aus besser und lerne sie jedes Mal mehr schätzen. Und deshalb möchte ich euch allen noch vor dem Aufbruch danken. Es ist so viel leichter, loszugehen, wenn ich weiß, dass es Menschen gibt, die an mich denken, mir den Rücken freihalten und mich in jedem Fall wieder mit offenen Armen empfangen werden. Dank euch kann ich immer wieder meine Arme ausbreiten und fliegen!
So, und bevor hier die Tränen vor Rührung oder die Augen vor Kitsch rollen: Auf geht’s!
Soundtrack zu Kapitel Null: Ludovico Einaudi 'Andare' ( https://www.youtube.com/watch?v=XY1KkBSLeSI ) - vielleicht wird das letzte Lied dann 'Fly'?
(Bild: Ein Graffiti in Bergen mit einem Auszug aus dem Gedicht 'The Stolen Child' von W. B. Yeats)
Viel Erfolg, Kathi! Du hast recht, dass wir dich mit offenem Herzchen und offenen Armen zurück empfangen werden! Gute Nacht mit dem Brumm-Brumm von Zug.