Start: Rjukan (1.6.)
Ziel: Oslo (1.6. - 2.6.)
Distanz: 180 km
Zeit: 1 Tag
Status: Huuuups, was ist denn da passiert?!
Rjukan und viel Planung
Im B&B in Rjukan gibt es ein echtes Bett, ein weißes Handtuch und ein Dach über dem Kopf - Wahnsinn! Nach 20 Minuten sieht das Zimmer aus, als wäre hier eine Bombe explodiert. Überall hängen Sachen zum Trocknen und Lüften, auf dem Boden liegen verstreut Tüten, die Steckdosen sind besetzt. Ich freue mich darauf, morgen nicht gleich wieder loszumüssen und genieße den Abend im Bett. Entsprechend geht der nächste Tag auch langsam los. Erst mal dehnen und die sonnenvertrocknete Haut mit einem Luxusprodukt eincremen (simple Hautcreme ist ein Luxus, wenn man sie schleppen muss!). Nachrichten beantworten, aus dem Fenster schauen und es schon nach ein paar Stunden komisch, aber sehr schön finden, noch nicht vor der Tür gewesen zu sein. Am Nachmittag stößt Daniel wieder dazu. Die letzten zwei Nächte allein hab ich genossen, aber es ist immer wieder schön, sich abends über das Erlebte auszutauschen. Außerdem ist die Tourenplanung etwas einfacher, wenn zwei Gehirne Ideen produzieren.
Rauchende Köpfe und Handy-Zombies
Um meine Möglichkeiten für die weitere Tour auszuchecken, rufe ich als erstes die DNT-Servicestelle an. Erst mal bin ich enttäuscht, dass sowohl Alternativrouten als auch mein vorsichtiger Traum einer Schneeschuh-Rundtour durch die immer noch tief verschneite Hardangervidda keine Optionen sind. Ab April bis zum 10. Juni sind hier alle Hütten geschlossen, weil die sensiblen Rentiere Junge bekommen. Auch meine Überlegung, gleich nach Rondane zu fahren, wo weniger Schnee liegt, fällt deshalb flach. Die nette Frau am Telefon empfiehlt mir aber den "Rondanestien", der mitten in Oslo beginnt und sich an Hütten entlang bis zum Rondane-Nationalpark streckt. Mein erster Gedanke: Was will ich denn jetzt in Oslo?! Allerdings habe ich sowieso damit gerechnet, irgendwo einen Sprung mit den Öffis einbauen zu müssen, wenn ich nicht die nächsten 300 km auf der Straße laufen will. Der Weg wäre etwa so lang wie der Teil, den ich wegen Schnee überspringen müsste. Außerdem dürfte dort gar kein Schnee mehr liegen. Je länger ich darüber nachdenke, desto verlockender wird die Idee, nach Oslo zu fahren und in einen Trail einzusteigen, bei dem ich nicht nach jeder Etappe umplanen muss.
Den ganzen Nachmittag verbringen Daniel und ich also vor seiner (sehr hilfreichen) Übersichtskarte vom DNT und vor unseren winzigen Handybildschirmen, bis uns die Köpfe rauchen. Wir suchen Wege raus, checken Hütten, Verpflegungsmöglichkeiten und Campingplätze. Daniel wird zunächst mal nach Geilo laufen, wo er ein Paket hingeschickt hat, und sich dann überlegen, wie er weitergeht.
Ich zögere kurz, gleich von Rjukan aus nach Oslo zu fahren. Die Vorstellung, morgen schon in einer Großstadt zu stehen, fühlt sich absurd an. Allerdings schrecken mich die 130 Straßenkilometer bis Geilo dann doch ab. Von Oslo aus führt der Weg dagegen direkt in die Natur.
Im Bus sitzen
Also stehe ich am nächsten Morgen an der Bushaltestelle, um in schnellen dreieinhalb Stunden 180 km zurückzulegen. Vorher hab' ich mich noch von Daniel verabschiedet, der seinen Pausetag in vollen Zügen genießt. Danke für die schöne Zeit und den Austausch, Daniel - og god tur!
Die Busfahrerin fährt einen Schlenker, um einen Mann mit Gehwagen vor seiner Haustür abzusetzen. Vor Oslo stehen wir eine Stunde lang im Stau. Ich schaue aus dem Fenster und bin sehr tiefenentspannt.
Die Vorstellung, schon bald im Wald zu stehen, einen schneefreien Weg ohne viele Straßen vor mir zu haben und einfach Richtung Norden zu laufen, fühlt sich grandios an. Der räumliche Sprung in der Tour stört mich gar nicht. Vielmehr habe ich das Gefühl, in Oslo erst "richig" zu starten. Der Anruf beim DNT war wirklich Gold wert.
Jetzt muss ich nur noch den Großstadtjungle überleben und mich auf die Suche nach einer Zeltalternative machen.
Großstadt
Oslo ist wirklich eine Großstadt. Ich versuche, schon am Nachmittag alles zu erledigen, um vielleicht bereits am nächsten Tag losgehen zu können. Nur weg hier, viel zu viele Leute ...!
Im DNT-Laden hole ich mir ein paar analoge Übersichtskarten für ganz Norwegen. Wie schön, Papier in der Hand zu haben! Die paar Gramm schleppe ich gerne mit. Der nette Mann gibt mir noch Tipps für Sportgeschäfte. Die Zelte, die ich dort finde, überzeugen mich allerdings nicht wirklich. Ich bin unentschlossen, was ich machen soll. Die Lösung finde ich dann in einer globalisierten Welt, in der ein Paket aus den USA eine Woche nach Norwegen braucht. Mit dem Tarpent Scarp 1 hab' ich schon lange geliebäugelt, hab' es dann aber wegen des Gewichts nicht genommen. Jetzt könnte es meine Rettung sein. Innerhalb einer Woche kann ich es nach Tynset schicken, wo ich in etwa drei Wochen vorbeikomme. Bis dahin gibt es viele Hütten und ganz sicher einfach weiterhin nur schönes Wetter ;) Ich stecke jetzt all meine Hoffnung in das Zelt und hoffe, dass es mich im Fjell gut beschützen wird.
Ein patio in Oslo und a warm shower for a non-cyclist
Über die Fahrrad-"couchsurfing"-Plattform warmshowers finde ich Øystein wieder, bei dem ich 2020 schon mal übernachtet habe, als ich mit dem Rad durch Norwegen gefahren bin. Ich freue mich auf den Abend und genauso nett wird es dann auch. Øystein ist rad- und asienbegeistert, er hat Sinologie studiert und ist ein Lexikon, was Geschichtsthemen angeht. Wir kochen gemeinsam und es wird dann doch recht spät für meinen Wanderrhythmus. Am nächsten Morgen regle ich noch ein paar Kleinigkeiten für meine Pakete. Wie immer fällt mir der Abschied von solch herzenswarmen Orten schwer. Trotzdem: Jetzt geht es endlich wieder loohooos!
Hat hier jemand einen Plan?
Irgendein kluger Mensch hat mal das Pläne-über-den-Haufen-Werfen als den interessantesten Part des Lebens bezeichnet ... – er hat auf jeden Fall Recht. Jotunheimen und die Hardangervidda werde ich bestimmt mal besuchen. Die Route, die jetzt vor mir liegt, ist weniger bekannt. Bestimmt wäre ich sonst gar nicht auf die Idee gekommen, hier langzulaufen. Ich freue mich darüber, wie sich alles gefügt hat. Es bekräftigt meine Erfahrung, dass am Schluss irgendwie alles richtig ist. Dass es immer eine Lösung gibt, manchmal sogar eine sehr schöne. Ich behalte das mal im Hinterkopf, sicherlich werde ich mich in den nächsten Monaten noch mal daran erinnern ...
Der Hinterhof, in dem Øysteins winziges Häuschen steht – ein perfekter Ort für einen ruhigen Kaffee am Morgen
Ein Selfie von zwei Selfie-Profis ...
Trailsound für zwischendrin: Jeremy Loops "freak" ( https://youtu.be/w3KSErYZfXg ) – weil ich mich als Wanderin in der Großstadt immer leicht freaky fühle ...
Hier der Link zur DNT-Seite vom Rondanestien (vielleicht gibt es ja am Desktop eine englische Version):
Das ist mal ein echter Sprung! Viel besser als noch viele Tage auf Asphalt zu laufen. Ich wünsche dir weiterhin "god tur"!
Mit dem TT Scarp 1 habe ich übrigens auch schon geliebäugelt. Es ist mir aber einfach zu schwer. Tja wer nicht so viel Gewicht tragen kann, muss Abstriche machen. Ich bin gespannt auf dein Review!
Ich verstehe eigentlich nicht dass nicht viel mehr Leute am kyststien starten und dann via Oslomarka nach Norden gehen. Machst du gut so....strasse gehen ist scheisse. Und ausser Nordkapp tunnel MUSSS man sich das auch nicht antun! Liebe Gruesse aus Tromsø Von Elke
Schön, dass alles so gut geklappt hat! Denke das war sicher die richtige Entscheidung. Viel Spaß im Matsch 😂 und auch Dir weiterhin eine gute Tour! Takk for sist og vi sees!
Ein grosses Bravo für die Entscheidung🙏👍🍀
Ich kenn die Situation nur zu gut von 2013 und die Strassenkilometer nach Rjukan sind definitiv kein Hit.Der Rondanestigen ist mir echt nicht eingefallen, ist auf jedenfall eine super Alternative👍😎Viel Spass und god tur vidre🍀